Zeitmanagement mit Gefühl
von Franzi

Warum mein Kalender mich krank machte
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, in der mein Kalender mein Leben bestimmte. Jeder Tag war durchgetaktet, jeder Slot verplant. Es fühlte sich produktiv an – zumindest auf dem Papier. Doch innerlich war ich ständig erschöpft. Ich hatte das Gefühl, gegen mich selbst zu arbeiten. Termine zur Unzeit, kreative Aufgaben in Phasen, in denen mein Kopf leer war, und ständiges schlechtes Gewissen, wenn ich „nichts“ tat. Bis ich irgendwann begriff: Vielleicht liegt das Problem nicht an meiner Disziplin, sondern am System selbst.
Heute gestalte ich meinen Alltag anders – im Einklang mit meinem inneren Rhythmus. Ich nenne es intuitives Zeitmanagement. Und in diesem Artikel möchte ich dich mitnehmen auf diese Reise. Eine Reise, die nicht nur meine Produktivität, sondern vor allem mein Wohlbefinden verändert hat.
Die innere Uhr: Unser biologischer Taktgeber
Unser Körper folgt natürlichen Rhythmen – ob wir wollen oder nicht. Der bekannteste ist der zirkadiane Rhythmus, ein etwa 24-Stunden-Zyklus, der unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, die Konzentration, Körpertemperatur und Hormonproduktion beeinflusst. Studien zeigen: Wir sind nicht rund um die Uhr gleich leistungsfähig.
Mir wurde das erst bewusst, als ich begann, systematisch zu beobachten, wann ich mich wach, kreativ, fokussiert oder müde fühlte. Ich stellte fest: Meine produktivsten Stunden liegen vormittags zwischen 9 und 11 Uhr – aber nicht jeden Tag gleich. Auch meine „kreativen Fenster“ verschieben sich manchmal leicht.
Tipp:
Führe ein „Energie-Tagebuch“. Notiere dir eine Woche lang stündlich (oder in groben Blöcken), wie wach, motiviert oder konzentriert du dich fühlst. Du wirst Muster erkennen – und die sind Gold wert für deine Planung.
Reflexionsfrage:
Wann fühlst du dich lebendig, wach, inspiriert – und wann fällt dir alles schwer?
Schluss mit dem Kalenderdiktat: Planung nach Gefühl statt nach Uhr
Ich weiß, das klingt erstmal nach Chaos. Schließlich haben wir gelernt, dass gutes Zeitmanagement bedeutet, Dinge klar einzuplanen, Aufgaben zu priorisieren und möglichst alles im Griff zu haben. Doch was, wenn diese Kontrolle auf Kosten unserer natürlichen Energie geht?
Ich begann, Aufgaben nicht mehr starr nach Uhrzeit, sondern nach Energiequalität zu sortieren. Kreative Tätigkeiten wie Schreiben oder Konzipieren lege ich nun in meine „Hochzeiten“, administrative oder mechanische Aufgaben kommen in Phasen mit weniger mentaler Energie.
Natürlich brauche ich weiterhin Struktur – aber eine flexible Struktur, die mir Raum lässt, mich zu spüren. Ich plane inzwischen mit Tagesfenstern, nicht mit festen Uhrzeiten. Und ich lasse bewusst Puffer – nicht nur im Kalender, sondern auch im Kopf.
Tipp:
Ersetze die klassische To-Do-Liste durch eine „Mood-basierte Liste“. Ordne deine Aufgaben nicht nach Dringlichkeit, sondern nach der Art von Energie, die sie brauchen: kreativ, analytisch, kommunikativ, entspannt usw.
Reflexionsfrage:
Welche Aufgaben rauben dir Energie – und welche geben dir welche zurück?
Intuition als Wegweiser: Wie du lernst, dir selbst zu vertrauen
Das Schwierigste an intuitivem Zeitmanagement ist nicht das Planen – sondern das Zulassen. Ich musste lernen, meiner Intuition wieder zu vertrauen. Das fiel mir anfangs schwer. Was, wenn ich mich irre? Wenn ich prokrastiniere? Wenn ich etwas Wichtiges vergesse?
Doch je mehr ich übte, desto klarer wurde mein inneres Gespür. Ich spürte, wann ich eine Pause brauchte, auch wenn noch „so viel zu tun“ war. Ich erkannte, wann mein Körper arbeiten wollte – und wann nicht.
Wissenschaftlich gesehen spricht man hier von interozeptivem Bewusstsein – der Fähigkeit, die Signale des eigenen Körpers wahrzunehmen. Studien zeigen: Wer gut in sich hineinspüren kann, trifft oft bessere Entscheidungen und lebt gesünder.
Tipp:
Baue regelmäßig Check-ins mit dir selbst ein. Frag dich: Wie fühle ich mich gerade? Was brauche ich jetzt wirklich? Manchmal ist es eine Tasse Tee. Manchmal ein Spaziergang. Manchmal ein klarer Fokus.
Reflexionsfrage:
Wie oft hörst du im Alltag wirklich auf deinen Körper – statt auf die Uhr?
Raum für Rhythmus: Wie du deinen Alltag intuitiver strukturierst
Intuitives Zeitmanagement bedeutet nicht, völlig planlos durchs Leben zu treiben. Es bedeutet, den eigenen Rhythmus zum Kompass zu machen. Dazu braucht es zwei Dinge: Struktur – und Freiheit.
Ich arbeite inzwischen mit einem Wochenraster, das eher wie ein Musikstück als wie ein Stundenplan aussieht. Es gibt Tempi (langsam, schnell), Pausen (Ruhephasen), Wiederholungen (Routinen) und Improvisation (freie Zeitfenster).
Statt jeden Tag gleich zu planen, frage ich mich morgens: Was steht an – und wie fühle ich mich? Dann entscheide ich spontan, was ich wann mache. Überraschenderweise schaffe ich so mehr in weniger Zeit – weil ich mit meiner Energie arbeite, nicht dagegen.
Tipp:
Gestalte deine Woche wie eine Komposition: Markiere Hochphasen für Fokusarbeit, Räume für Kreativität, Inseln für Erholung und Zeit für Spontanes.
Reflexionsfrage:
Wie könnte ein Alltag aussehen, der nicht gegen dich arbeitet – sondern mit dir?
Loslassen lernen: Warum Effizienz nicht alles ist
Eines habe ich besonders lernen müssen: Nicht alles muss „produktiv“ sein. Es ist okay, einfach mal dazusitzen, zu dösen, zu träumen. Unsere Gesellschaft wertet Stillstand oft als Faulheit. Aber genau in diesen Phasen regenerieren wir. Unser Gehirn sortiert, verarbeitet, verknüpft.
Neurobiologen sprechen hier vom Default Mode Network, einem Netzwerk im Gehirn, das aktiv ist, wenn wir „nichts tun“. In dieser Zeit entstehen kreative Ideen, neue Einsichten, Lösungen für Probleme. Ich nenne das inzwischen meine „Zonen der Inspiration“.
Wenn ich heute das Gefühl habe, nichts zu „leisten“, frage ich mich: Was leistet mein System vielleicht gerade innerlich? Und meistens finde ich: sehr viel.
Tipp:
Plane bewusst „offene Zeiten“ ein – ohne Ziel, ohne Aufgabe. Beobachte, was passiert. Vielleicht taucht eine Idee auf, vielleicht kommt Ruhe. Beides ist wertvoll.
Reflexionsfrage:
Wo in deinem Alltag gibt es Raum für Leerlauf – und darf dieser Raum da sein?
Vertrauen wächst mit Erfahrung
Intuitives Zeitmanagement ist kein starres Modell, sondern ein Prozess. Es erfordert Mut, Selbstbeobachtung und vor allem Geduld. Ich selbst bin noch nicht „fertig“ damit – aber ich bin auf dem Weg. Und was ich gewonnen habe, ist unbezahlbar: ein Gefühl von innerer Stimmigkeit, mehr Leichtigkeit und ein liebevollerer Umgang mit mir selbst.
Vielleicht fragst du dich jetzt: Ist das auch etwas für mich? Dann lautet meine Antwort: Probiere es aus. Fang klein an. Höre hin. Und vor allem: Vertraue dir selbst ein Stück mehr, als du es gestern getan hast.
Denn Zeit ist nicht nur das, was auf der Uhr steht – sondern das, was du daraus machst.