Prokrastination ist keine Faulheit

Entdecke, was dir dein Prokrastinationsverhalten wirklich sagen will – und wie du es als Wegweiser statt als Feind nutzen kannst.

Prokrastination ist keine Faulheit

von Ines

Was dir dein Prokrastinationsverhalten wirklich sagen will

Warum Aufschieben oft ein Warnsignal deiner Seele ist – und wie du es liebevoll verstehen kannst.

Du hast dir vorgenommen, heute endlich an deiner Präsentation zu arbeiten. Oder mit der Steuer anzufangen. Oder diesen einen schwierigen Anruf zu machen. Aber plötzlich ist der Schreibtisch dringend aufzuräumen. Oder du brauchst jetzt sofort noch einen Snack, obwohl du gerade gegessen hast. Willkommen im ewigen Tanz mit der Prokrastination.

Wir alle tun es – mal mehr, mal weniger. Doch hinter dem Aufschieben steckt meist nicht einfach Faulheit. In Wahrheit versucht dein Inneres, dir etwas mitzuteilen. Und wer genauer hinhört, erkennt: Prokrastination ist ein ziemlich ehrlicher Spiegel deiner inneren Welt.

Was bedeutet Prokrastination wirklich?

Der Begriff kommt aus dem Lateinischen „pro“ (für) und „crastinus“ (morgen) – also: „Für morgen.“ Es bedeutet nichts anderes, als Dinge aufzuschieben, obwohl man weiß, dass es langfristig negative Konsequenzen hat.

Das Paradoxe: Wir wissen genau, dass wir uns schaden – und tun es trotzdem. Warum?

Weil Prokrastination ein psychologisches Schutzverhalten ist. Sie schützt dich nicht vor der Aufgabe selbst, sondern vor dem unangenehmen Gefühl, das du mit dieser Aufgabe verknüpfst.

Die emotionalen Botschaften hinter dem Aufschieben

Hier sind einige der häufigsten „inneren Botschaften“, die sich hinter Prokrastination verbergen – und was du daraus lernen kannst:

„Ich habe Angst, nicht gut genug zu sein“

Du schiebst eine Aufgabe vor dir her, weil du insgeheim glaubst, dass du daran scheitern wirst – also lieber gar nicht erst anfangen. So vermeidest du das Risiko, „offiziell“ zu scheitern. Aber du zahlst mit dem Preis des inneren Stresses und Selbstzweifels.

Frage dich: 

Was würde ich tun, wenn ich nicht versagen könnte?

Impuls: 

Erlaube dir bewusst, etwas unperfekt zu machen. Der erste Entwurf darf schlecht sein. Hauptsache: anfangen.

„Ich sehe keinen Sinn in dem, was ich tue“

Wenn du merkst, dass du bei bestimmten Aufgaben innerlich blockierst, kann es sein, dass sie nicht wirklich mit deinen Werten oder Zielen übereinstimmen. Dein innerer Kompass rebelliert.

Frage dich: 

Wofür mache ich das? Was würde mir diese Aufgabe wirklich bringen?

Impuls: 

Wenn kein tieferer Sinn spürbar ist, kannst du vielleicht delegieren, Nein sagen – oder den Rahmen verändern.

„Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll“

Große, unklare Aufgaben wirken schnell überfordernd. Dein Gehirn liebt Struktur – wenn die fehlt, flüchtet es in Aufschiebeverhalten.

Frage dich: 

Was wäre der kleinste mögliche Schritt?

Impuls: 

Nutze die 5-Minuten-Regel: Nimm dir vor, nur 5 Minuten an der Aufgabe zu arbeiten. Meist entsteht daraus mehr.

„Ich bin erschöpft und brauche eigentlich eine Pause“

Manchmal prokrastinieren wir, weil unser Körper oder Geist längst auf Reserve laufen. Doch statt bewusster Erholung kommt dann das unproduktive „Leerlauf-Aufschieben“ – oft mit schlechtem Gewissen.

Frage dich: 

Bin ich müde oder einfach nur unmotiviert?

Impuls: 

Plane echte Pausen ein – ganz ohne Bildschirm oder To-Do-Listen. Dein Energielevel ist die Grundlage für alles.

Strategien gegen destruktive Prokrastination

Nicht jede Form des Aufschiebens ist schädlich. Manchmal ist sie sogar kreativ oder notwendig. Wichtig ist, dass du erkennst, wann sie dich lähmt – und wie du aus der Schleife kommst.

  1. Akzeptiere deine Menschlichkeit

Perfektionismus ist der beste Freund der Prokrastination. Erzeuge stattdessen eine Kultur der Erlaubnis in dir selbst: Du darfst Fehler machen. Du darfst langsam sein. Du darfst Mensch sein.

  1. Sprich mit deinem inneren Kritiker

Wenn du beginnst, dich selbst innerlich zu beschimpfen („Du bist so faul“, „Jetzt reiß dich endlich zusammen!“), wird die Blockade nur größer. Versuch stattdessen: „Okay, ich merke, dass ich gerade Druck spüre – was brauche ich jetzt wirklich?“

  1. Nutze Rituale statt Disziplin

Disziplin funktioniert nur begrenzt. Besser: Erschaffe Gewohnheiten und feste Rituale, die deinen Einstieg erleichtern. Z. B. jeden Tag zur gleichen Uhrzeit 10 Minuten Journaling oder Fokusarbeit.

Prokrastination ist ein Symptom – keine Schwäche

Wenn du prokrastinierst, ist das kein Zeichen von Faulheit, sondern ein Hinweis auf etwas Tieferes: ein Gefühl, ein Mangel, ein innerer Konflikt. Es lohnt sich, neugierig hinzuhören.

Statt dich also weiter selbst zu verurteilen, könntest du anfangen zu fragen:
👉 Was will mir mein Aufschieben gerade sagen?
👉 Was bräuchte ich stattdessen – Sicherheit, Sinn, Klarheit oder Pause?

Die ehrlichen Antworten darauf könnten der Beginn von etwas viel Größerem sein: echter Selbstverbindung.

Selbstreflexion bei Prokrastination
10 Fragen

  1. Was genau schiebe ich gerade auf – und warum ausgerechnet diese Aufgabe?
    (Gibt es bestimmte Gedanken oder Gefühle, die damit verknüpft sind?)
  2. Wie fühle ich mich, wenn ich an die Aufgabe denke – körperlich und emotional?
    (Anspannung, Schwere, Druck, Unruhe…?)
  3. Was wäre das schlimmste Szenario, wenn ich diese Aufgabe nicht gut mache?
    (Und wie realistisch ist dieses Szenario eigentlich?)
  4. Was versuche ich durch das Aufschieben zu vermeiden oder zu kontrollieren?
    (Z. B. Versagensangst, Kritik, Überforderung, emotionale Nähe…)
  5. Gibt es einen inneren Anteil in mir, der sich gegen die Aufgabe wehrt? Was will dieser Teil mir sagen?
    (Was sind seine Bedürfnisse oder Ängste?)
  6. Ist diese Aufgabe wirklich meine Aufgabe – oder handle ich gerade fremdbestimmt?
    (Passe ich mich Erwartungen an, die nicht zu mir gehören?)
  7. Was würde mir helfen, mich sicherer oder motivierter zu fühlen, um zu beginnen?
    (Z. B. Unterstützung, Klarheit, Struktur, ein erster Minischritt?)
  8. Welche Überzeugung über mich selbst zeigt sich durch mein Aufschieben?
    („Ich bin nicht gut genug“, „Ich darf keine Fehler machen“ usw.)
  9. Wie könnte ich mitfühlender mit mir selbst umgehen, wenn ich ins Aufschieben rutsche?
    (Was würde ich einem guten Freund in dieser Situation sagen?)
  10. Was würde ich tun, wenn ich mir selbst zu 100 % vertrauen würde?
    (Welche Entscheidung oder Handlung wäre dann heute dran?)